Interview mit André Gatzke: Kinder brauchen Bewegung.

WDR/ Annika Fußwinkel

 

Früher arbeitete André Gatzke als Ergotherapeut für Kinder, heute moderiert er die „Sendung mit dem Elefanten“. Ein großes Anliegen ist ihm aus der Zeit als Therapeut geblieben. Er will Kinder (und ihre Eltern) zu mehr Bewegung motivieren. Wie das gelingt, verrät er im kinderzeit-Interview.

 
Warum ist Bewegung so wichtig für Kinder?

André Gatzke: Bewegung ist so immens wichtig für unsere Entwicklung. Durch Bewegungserfahrungen entwickelt sich nicht nur unsere gesamte Grob- und Feinmotorik, sondern auch unser Gehirn. Sich selbst und seine Umwelt zu erfahren, gelingt am besten durch Bewegung. Genau deshalb sollten wir als Eltern und als Pädagogen den Kindern unbedingt die Freude an der Bewegung vermitteln. Das gelingt durch Bewegungsspiele, durch Anreize zum Toben, Kicken und Klettern, aber auch durch das eigene Verhalten. Ich gehe zum Beispiel unheimlich gerne Treppe und nehme nie den Aufzug. Das färbt auch auf meine Kinder ab.

 

Wie schafft man im Kita-Alltag vielfältige Bewegungsanlässe?

André Gatzke: Alle Kitas sollten aus meiner Sicht vielfältige Angebote zur Bewegung bieten – Klettergerüste, Bewegungsräume, Fahrzeuge und vieles mehr. Im zweiten Schritt müssen diese Angebote den Kindern immer wieder schmackhaft gemacht werden. Aus dem Klettergerüst wird zum Beispiel mit ein bisschen Deko ein Zirkuszelt. Mit einem Plakat kündigt man eine große Vorstellung an. Am nächsten Tag darf jedes Kind etwas am Klettergerüst oder an der Schaukel vormachen. Schon entsteht ein neuer Bewegungsanreiz für die ganze Gruppe. Auch die Natur bietet viele Bewegungsanregungen – nicht nur im Frühling und Sommer. Selbst bei schlechtem Wetter kann man alle Kinder in die Regensachen stecken und beispielsweise einen Matschpfützen–Wettspringen veranstalten. Toll sind natürlich auch Ausflüge in den Wald. Allerdings sollten solche Aktivitäten auch Erzieher übernehmen, die selbst Lust auf Bewegung in der Natur haben und diese Freude an die Kinder weitergeben können.

 

Eltern sollten und können sich in Sachen Bewegung ja nicht allein auf die Kita verlassen. Wie schafft man im Familienalltag genug Bewegung?

André Gatzke: Natürlich ist es schön, wenn Kinder und Eltern möglichst viel Zeit mit Bewegung und an der frischen Luft verbringen. Ich persönlich finde aber allgemeine Verhaltens- oder Erziehungstipps eher schwierig. Eltern sollten selbst Lust auf Bewegung haben. Man kann niemand dazu zwingen, nochmal mit Kind und Laufrad joggen zu gehen oder mit dem Nachwuchs fangen zu spielen. Ich glaube, das muss von jedem selbst kommen. Ich persönlich habe einen enormen Bewegungsdrang, gehe gerne vor die Tür oder fahre Skateboard. Das färbt zum Glück auch auf meine Kinder ab.

 

Welche Rolle spielen Angebote wie Kinderturnen?

André Gatzke: Kinderturnen ist toll. Die Kinder können mit vielen Gleichaltrigen spielen und neue Bewegungserfahrungen machen, die zuhause vielleicht schwierig umsetzbar sind. Aber natürlich muss das Kind Lust darauf haben. Es bringt nichts, nur aus eigenem pädagogischem Anspruch, die Kinder auch gegen den Willen zum Turnen zu fahren. Im Zweifel verbaut das eher die Lust auf die Bewegung. Ein bisschen anders verhält es sich beim Schwimmen. Darauf habe ich bei meinen Kindern bestanden, auch wenn sie manchmal keine Lust dazu hatten. Mit Erfolg: Heute können sie alle schwimmen und gehen immer noch gerne ins Schwimmbad.

 

Schwimmen ist ein gutes Stichwort. Immer weniger Schulkinder können schwimmen. Müssten hier die Kitas und Vorschulen stärker aktiv werden?

André Gatzke: Das wäre sicher begrüßenswert. Unsere Kita war regelmäßig mit den Kindern beim Schwimmen. Aber natürlich hängt das stark von den Rahmenbedingungen ab. Ich glaube aber schon, dass gerade in Bezirken mit vielen sozial benachteiligten Familien Schwimmen und Bewegung noch stärker von den Kitas und Schulen geleistet werden müsste. Einfach weil die Eltern oft nicht die Zeit oder das Geld haben, regelmäßig schwimmen zu gehen. 

 

Wie findet man eigentlich den richtigen Sport für sein Kind?

André Gatzke: Viele Angebote machen, viel ausprobieren und dann am Ende das Kind entscheiden lassen. Ich zum Beispiel liebe Skateboard fahren, seit Kindertagen stehe ich fast jeden Tag auf dem Brett. Mein Vater war dagegen ein leidenschaftlicher Fußballer und hat mich trotzdem immer unterstützt. Sogar zur Geburt meines Sohnes hat er uns ein kleines Skateboard geschenkt. Das hat mich unheimlich gerührt. Geholfen hat es nichts, mein Sohn ist wiederum Fußballer geworden. Auch wenn ich keinen Bezug zu diesem Sport habe, stehe ich oft genug am Spielfeldrand und feure ihn an. Gleichzeitig nehme ich ihn natürlich auch mal in die Skatehalle mit und zeige ihm meine Leidenschaft. Aber der Funke ist dort nie so übergesprungen wie beim Fußball. Was also wichtig ist: Freiheit lassen, Unterstützung geben, offen sein für neue Sportarten, auch wenn man dazu selbst keinen Draht hat.

 

Skateboard ist ein tolles Beispiel. Stehen wir als Eltern mit all unseren Sorgen den Kindern und ihren Bewegungserfahrungen auch manchmal im Weg?

André Gatzke: Ja, leider. Es fällt vielen Eltern sehr schwer Ruhe zu bewahren, wenn das Kind auf einen hohen Baum klettert. Wir sollten uns immer sagen, es ist immer besser, wenn das Kind auf einen Baum klettert, als wenn es unten stehen bleibt. Genauso ist es auch mit dem Skateboard fahren. Kinder fallen ständig vom Board und klettern immer wieder drauf. Immerhin wollen sie das Skateboard ja beherrschen lernen. Das ist eine ganz tolle Motivation. Für Eltern, die selbst noch nie auf einem Brett standen, wirkt das von außen sehr gefährlich. Aber ich habe mir in zwei Jahrzehnten Skate- und Snowboard nur zwei Mal echt weh getan. Und selbst ein zertrümmertes Handgelenk ist kein Grund dafür, auf all die tolle Erfahrungen auf dem Skateboard zu verzichten. Ich würde Eltern immer raten, sich auch mal an die eigenen wilden und guten Bewegungserfahrungen zu erinnern und sich etwas mehr zurückzunehmen. Bewegung und Abenteuer zu verbieten, ist jedenfalls keine Alternative.

Eine Spielidee aus dem Hause Gatzke
Andre Gatzke im Fernsehen

Andre Gatzke moderiert bei KiKA die „Sendung mit dem Elefanten“ und „Die Sendung mit der Maus"- zum Hören. Außerhalb des Fernsehens moderiert er große Kinder- und Familienveranstaltungen. Außerdem spricht er Hörbücher und Hörspiele. Gatzke ist gelernter Ergotherapeut und leitete zehn Jahre eine Praxis in Köln.

Und er moderiert die „Sendung mit dem Elefanten“, täglich zu sehen um 6.55 Uhr bei KiKA, auf der Elefantenseite und in der ElefantenApp. Ab dem 23. März moderiert er außerdem gemeinsam mit der Grundschullehrerin Pamela Fobbe das Lernprogramm "Der etwas André Unterricht". Morgens von 9 bis 12 Uhr strahlt das WDR Fernsehen diese speziell für die Grundschüler*innen zusammengestellte Sendestrecke aus. Die Moderatoren führen nicht nur durchs Programm, sondern animieren die Schüler*innen zu Hause auch zum Mitmachen und Mitdenken. 

 

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