Fortbildung als Basis für Professionalität

Selbstbildung als kollegiale Herausforderung

Auf der einen Seite ist es ohne Frage eine verantwortungsvolle, häufig sehr schöne und herausfordernde Aufgabe im Kindergarten/Hort zu arbeiten. Auf der anderen Seite bedeutet dieser Beruf aber auch Stress, sich immer wieder auf neue Aufgaben einzulassen, mit den unterschiedlichsten Erwartungen konfrontiert zu sein und gleichzeitig eher wenig Anerkennung von außen zu erhalten. Was mit Liebe und Begeisterung, Engagement und Freude begann, gerät nicht selten nach einigen Jahren harter Arbeit ins Schwanken und endet manchmal auch in einem Gefühl der Überforderung, des Ausgebranntseins oder sogar in Resignation, verbunden mit dem Wunsch, aus dem einstigen „Traumberuf“ auszusteigen.

Die „heile Welt“ gibt es nicht – neue Probleme und Herausforderungen an Erzieher/-innen

Was für viele Erzieher/-innen so hoffnungsvoll und erwartungsfreudig im Beruf begann, nämlich eine lebendige, aktive und herausfordernde Entwicklungsbegleitung mit Kindern zu erleben und zu gestalten, offenbart sich mit der Zeit als „harter Knochenjob“. Stellt man sich die Frage, woran das liegen könnte, bieten sich ganz unterschiedliche (Hinter-)Gründe als mögliche Antworten an. Zum einen merken Erzieher/-innen, dass ihr ursprünglicher Berufswunsch mit vielen Idealen und Wunschvorstellungen bzw. subjektiven Bildern verbunden war, die mit der erlebten Realität nicht übereinstimmten. So ist Kindergarten- oder Hortarbeit weitaus umfangreicher ­gefasst und betrifft eben nicht nur den begrenzten Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag mit Kindern. Zum anderen wurde ihnen deutlich, dass die Ausbildungsinhalte der Fachschulen/-akademien häufig nicht das Wissen und die notwendigen Handlungskompetenzen umfassten, welche für die praktische Arbeit notwendig und hilfreich wären. Dadurch entstanden Unsicherheiten und berufliche Irritationen. Zum dritten ergaben sich aus der allseits bekannten PISA-Diskussion, der europaweit durchgeführten Qualitätsoffensive und dem damit verbundenen Qualitätsmanagement vor Ort sowie den heftig geführten Bildungsrichtlinien-Diskussionen auf Landes- und Bundesebene neue Herausforderungen für den Kindergarten/Hort, die das Kindergarten-/Hortsystem in ihren bisherigen Schwerpunktstrukturen vor neue, umfangreiche Aufgaben stellt(e). Dazu kamen immer stärker ausgeprägte Erwartungen vieler Eltern, die ihre speziellen Vorstellungen von einer „neuen Pädagogik“ hatten und diese als deutliche Forderungen an die Erzieher/-innen heranbrachten. Gleichzeitig merkten die elementarpädagogischen Fachkräfte, dass auch Kinder und Jugendliche mit verstärkten Verhaltensirritationen, wie es sie in dieser Form und in dieser Menge vor Jahren eher selten gab, zusätzliche Unruhe und Provokationen in die Einrichtungen brachten und die Erzieher/-innen vor zunehmend neue pädagogische Herausforderungen stell(t)en. Und last not least gab der besondere finanzielle Engpass der Träger strukturelle und personelle Entscheidungen vor, die mit objektiven Qualitätskriterien in vielen Fällen nicht vereinbar waren bzw. zu vereinbaren sind. Qualität und Professionalität haben ihren Preis, was viele Träger und politische Mandatsträger nach wie vor nicht nachvollziehen können/wollen.

Probleme sind Herausforderungen oder: Jedes Problem ist eine eigene, neue Aufgabenstellung

Ohne Frage gab es in den letzten Jahren einen deutlichen ­Wandel in der Elementar- und Hortpädagogik, durch den das ­bisherige „System Kindertagesstätte“ fachlich und personell betrachtet „durchgerüttelt“ wurde. Gleichzeitig zeigt sich bei einer genaueren fachspezifischen Betrachtung der vielen Veränderungen und neuen Herausforderungen, dass vieles durchaus kritisch betrachtet werden musste, damit einer notwendigen Veränderung Platz zur Verfügung gestellt werden konnte. So war und ist beispielsweise ein im wahrsten Sinne des Wortes „grundlegendes“ Qualitätssystem immer von Vorteil, um einerseits die praktische Arbeit laufend zu verbessern (Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen) und andererseits die theoretische Basis für Entscheidungskompetenzen zu qualifizieren. Ebenso notwendig war eine breit angelegte Diskussion über die Bedeutung der Bildungsarbeit in Kindertagesstätten und ebenso hilfreich ist die Dokumentation von kindeigenen Bildungsprozessen, Entwicklungsvorhaben der Einrichtung oder das regelmäßige Führen eines Qualitätshandbuches.

Bei näherer Betrachtung dieser und weiterer Herausforderungen (wie beispielsweise im Team- und Zeitmanagement, im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der präventiven Elternarbeit, der Vernetzung zwischen Elementar-/Hortpädagogik und der Grundschule bzw. externen Beratungs-/Therapieinstitutionen …) wird deutlich, dass jede Aufgabenstellung spezifische Handlungskompetenzen von den elementarpädagogischen Fachkräften erforderlich macht. Herrschte vor Jahren noch die Einstellung vor, dass die Leitungskraft vor allem für administrative und strukturell ausgerichtete Aufgaben zuständig und verantwortlich sei, hat sich heute die Auffassung durchgesetzt, dass ein professionell arbeitendes Kollegium nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle(!) bedeutsamen Aufgaben auf alle(!) Kollegen verteilt sind. Ebenso war vor Jahren bei vielen Elementarpädagogen die Einstellung weit verbreitet, dass nicht jedes Teammitglied in möglichst allen Teilbereichen Kompetenz besitzen müsse, getreu dem Motto, „jeder hat seine Stärken, die er einsetzt und entsprechende Schwächen/Inkompetenzen werden durch entsprechende Stärken anderer aufgefangen“.

Diese Annahme war und ist ebenso verführerisch wie falsch, hat sich doch durch vielfältige Qualitätserhebungen herausgestellt, dass solche Einstellungen als Alibi für einen „Status quo“ herhalten mussten und Qualitätsentwicklungen einer Gesamteinrichtung(!) in vielen Bereichen behinderten bzw. unmöglich machten. Insofern gilt es, dass elementarpädagogische Fachkräfte bei den vielen (neuen) Herausforderungen des Berufsalltags ihre Kompetenzen sehr genau betrachten und diese mit den aktuellen Anforderungen in Beziehung setzen müssen. Zeigen sich durch einen sorgsamen und ehrlichen „Ist-Soll-Vergleich“ Deckungsungleichheiten und erweisen sich diese als hinderlich für eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung der Einrichtung, so ergibt sich die folgenotwendige Konsequenz die entsprechenden Schwächen durch Fort-, Weiter- oder Zusatzausbildungen zu beheben.

Auch an dieser Stelle wird deutlich, wie sich der Weg im Hinblick auf persönliche und fachliche Weiterentwicklung in den letzten Jahren verändert hat. War es in der Vergangenheit in den allermeisten Fällen üblich, dass elementarpädagogische Fachkräfte ihren Wunsch nach Fort-, Weiter- oder Zusatzausbildungen durch persönliche Motive begründeten, ergeben sich heute die Fortbildungsthemen für einzelne Kollegen und Kolleginnen eher aus einer Fortbildungsnotwendigkeit in einem bestimmten Schwerpunktbereich. Diese werden im Gesamtkollegium im Sinne einer Bestandsaufnahme betrachtet und in gemeinsamer Absprache an entsprechende Teammitglieder delegiert. Damit ist auch dem „aktionistischen Fortbildungshopping“ ein professionell begründeter Riegel vorgesetzt, bei dem einzelne subjektiv geprägte Fortbildungswünsche den Ausschlag dafür gaben, wer welche Fortbildungsveranstaltung besuchen wollte. Inzwischen hat sich auch die Elementarpädagogik – wahrscheinlich als eine mögliche Folge aus dem Qualitätsmanagement – der Erkenntnis geöffnet, dass gesamtinstitutionelle Aufgaben und Vorhaben eine höhere Wertigkeit haben als persönlich begründete Wünsche.

Fort- und Weiterbildung als fester Bestandteil des Berufs

So wie die Entwicklung des Menschen durch einen ständigen Veränderungsprozess seines Umfeldes und seiner ­Lebensbedingungen beeinflusst wird, so ist auch die Pädagogik immer wieder durch Umfeld-/Umweltveränderungen, neue Erfahrungen oder neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung zur Neubetrachtung von bisherigen Zielen, Wegen, Methoden oder didaktischen Schwerpunkten aufgefordert (Beispiel: Resilienzforschung; Neurophysiologie). Was gestern noch für die Pädagogik oder Psychologie eine allgemeine oder spezielle Gültigkeit besaß, kann heute schon durch neue Forschungsergebnisse revidiert sein (Beispiel: Einige Kernaussagen von Piaget sind inzwischen durch neue Untersuchungsresultate aufgehoben und durch andere Belege ersetzt worden). Das bezieht sich auch auf andere Bereiche wie beispielsweise auf die Konflikt-, Team- oder Bildungs- oder Bindungsforschung.

Ein alter Spruch bringt es dabei auf den Punkt: Stillstand bedeutet Rückschritt. Das gilt für alle Entwicklungen, seien sie personenbezogen oder arbeitsfeldorientiert. So sind die Zeiten und Begründungen einer eher traditionsverbundenen Arbeit, in der die Gestaltung der Berufstätigkeit durch Wiederholungen zurückliegender Arbeitsvorgänge charakterisiert war, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Wenn auf der einen Seite die Elementarpädagogik den Anspruch hat, „Qualität von Anfang an“ zu realisieren und auf der anderen Seite auch Träger von Einrichtungen sowie politische Mandatsträger den hohen und berechtigten Anspruch an die elementarpädagogischen Fachkräfte stellen, „Bildung von Anfang an“ in den Institutionen zu etablieren, dann müssen auch bestehende Bedingungen diesen Anforderungen angeglichen werden, andernfalls bleiben solche Aussagen bloße Lippenbekenntnisse.

Ein regelmäßiger Besuch von Fortbildungsveranstaltungen ist ein unverzichtbarer Teil einer professionell gestalteten Tätigkeit, weil hierdurch Grundlagen gelegt/bestätigt/neu konzipiert/weiterentwickelt werden, die zum kompetenten Selbstverständnis und zur professionell gestalteten Grundlagenarbeit einer elementarpädagogischen Fachkraft dazugehören – sowohl im Innen- als auch im Außenprozess der Pädagogik. War man früher der Ansicht, dass Professionalität nicht an Ergebnissen zu messen sei, so zeigt sich heute eine deutliche Kehrtwendung in der Beurteilung dieser Aussage.

Selbstverständlich war und ist ein professionelles Handeln auch immer am dokumentierbaren Ergebnis messbar – sei es am Produkt einer gelungenen Leitbild- oder Konzeptionsarbeit, einer erfolgreichen Gesprächsführung, einem qualitätsgeprägten Entwicklungsbericht, einer erreichten Konfliktlösung oder einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit, einer abgeschlossenen Sponsorenzusage oder der Transparenz/Dokumentation der pädagogischen Arbeit.

Fort- und Weiterbildung als berufsbegleitender Lernprozess

Qualitätsgeprägte Fort- und Weiterbildung richtet sich auf folgende Aspekte: Zum einen wendet sie sich direkt an die „Person Erzieher/-in“, knüpft an ihre Stärken an, konfrontiert sie aber auch mit ihren Schwächen, die es zu minimieren gilt. Nur so kommt es zu einem Zuwachs der Handlungskompetenzen. Zum anderen will Fort- und Weiterbildung die Fachkompetenz der elementarpädagogischen Fachkräfte erweitern, bei der fachliche Defizite durch den Erwerb aktuellen Wissens ausgeglichen werden. Schließlich tragen regelmäßige Fort- und Weiterbildungen zu einem gestärkten beruflichen Selbstverständnis bei – der Grundlage für das gesamte berufliche Handeln im Innen- und Außenbereich der Pädagogik. Und letztendlich wird durch den Besuch von Fort- und Weiterbildungen die pädagogische Qualität der gesamten Einrichtung verbessert, indem innovative Impulse und neue Sichtweisen die Arbeit vor Ort immer weiter verbessern helfen.

Ein solcher berufsbegleitender und gleichzeitig lebenslanger Lernprozess erfordert von den elementarpädagogischen Fachkräften Selbstmotivation (statt Rückzug), Engagement (statt Bequemlichkeit), Lerninteresse (statt Lernabwehr), Veränderungsbereitschaft (statt Sicherheitssuche), Selbstkritik (statt Fremdkritik), Aufgeschlossenheit (statt Bestätigungssuche), Freude an Theorieauseinandersetzungen (statt Theoriefeindlichkeit), Selbststeuerung (statt Fremdmotivation), Selbstverantwortung (statt Schulddelegation) und Perspektivorientierung (statt einer Rückwärtssicht). Sehr viele Fachkräfte besitzen diese Eigenschaften – doch was nutzen diese ohne eine Realisierungsmöglichkeit?

Ohne Frage stehen dabei aber auch Gesetzgeber (auf Landesebene) in der Pflicht, Fort- und Weiterbildung in den Landesgesetzen fest zu verankern: als gesetzlich verbrieftes Recht und als gesetzliche Pflicht für alle berufstätigen Fachkräfte. Und alle Arbeitgeber/Träger von elementarpädagogischen Einrichtungen haben gleichzeitig für eine Freistellung der Mitarbeiter/-innen und für (anteilige) Finanzierungen zu sorgen, sodass Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen auch in Anspruch genommen werden können. Nur so kann und wird es tatsächlich zu einer umfassenden Qualitätsoffensive in der Elementarpädagogik kommen, die auch zu Recht diesen Qualitätsbegriff verdient hat.

Diesen Artikel haben wir aus dem Buch von Armin Krenz mit dem Titel „Grundlagen der Elementarpädagogik“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus-Laetare erschienen.

Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN/EAN: 9783944548036
22,00 €

Mehr dazu auf www.burckhardthaus-laetare.de

 

Zurück