Qualität durch Teamarbeit

Selbstbildung als kollegiale Herausforderung

Schon seit einiger Zeit existiert für die Elementarpädagogik eine „Qualitäts- und Bildungsoffensive“, um Aufgaben, Inhalte, Vorgehensweisen, Ziele und Methoden der Arbeit zu dokumentieren. Vergessen wird dabei schnell, dass es immer schon eine Notwendigkeit war, eine deutliche Qualität im gemeinsamen Leben und Lernen mit Kindern zum Ausgangspunkt der Elementarpädagogik zu machen! Doch reichen weder hochgesetzte Ziele und schlagkräftige Schlagwörter noch markige Begriffsbezeichnungen aus, eine Qualitäts- und Bildungsoffensive voranzubringen. Vielmehr muss sich zunächst immer das Hauptaugenmerk auf die Personen und das Kollegium selbst richten, um auch tatsächlich eine hohe Qualität in der Praxis zu erreichen.

Ist ein Team tatsächlich ein Team?

Es gibt in der Elementarpädagogik – ähnlich wie in anderen Einrichtungen – kaum eine Arbeitsgruppe, die sich nicht als „Team“ bezeichnet. So wie die Begriffe „Ganzheitlichkeit der Pädagogik“ oder „Kindorientierung“ vielerorts zu inhaltsleeren Worthülsen mutiert sind, wird auch das Wort „Teamarbeit“ recht häufig vorschnell genutzt. Zunächst ist ein Team eine Leistungsgruppe, die sehr zielorientiert tätigkeitsnotwendige Aufgaben in Angriff nimmt und in effizienter Zusammenarbeit aktuelle Herausforderungen erkennt, aufgreift und konstruktiv löst. Dabei geht es primär um qualitativ hochwertige Orientierungen, zumal die Einrichtungs-, Programm- und Prozess-qualität immer von der Personal- und damit von der Teamqualität abhängig ist.

Merke: Eine Einrichtung ohne Teamarbeit lebt wie ein Fisch ohne Wasser bzw. eine Elementarpäda­gogik ohne Teamarbeit gleicht einem Auto ohne Kraftstoff – damit ist ein Vorwärtskommen ausgeschlossen.
Egozentrismus zerstört eine Teamentwicklung!

Vor Jahren gab es das Bild einer Aufgabenerfüllung im „Team“, bei der jeder nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten/Fertigkeiten dazu beizutragen versuchte, seinen persönlichen, individuellen Anteil einzubringen, um sich einem angestrebten Ziel zu nähern. Es ging um ein Verständnis von Teamarbeit, wo Menschen mit unterschiedlichem Know-how, unterschiedlichen Ressourcen, unterschiedlichen Werten und Normen sowie unterschiedlichen Arbeitsauffassungen durch ihre Unterschiedlichkeit die Vielfalt eines „Teams“ ausmachten. Getreu dem Motto: In der Vielfalt und Unterschiedlichkeit liegt die Stärke eines Teams. Eine solche Vorstellung führte dann aber eher nur zu Teilerfolgen, Teilentwicklungen, Teilzielerreichungen oder zu Problemverschiebungen! Trotz dieser Erkenntnisse hat sich diese Vorstellung von „Team“ in vielen Arbeitsgruppen bis heute erhalten. Die Frage nach möglichen Gründen dafür ist schnell beantwortet. Auf der einen Seite besteht gerade in der (Elementar-)Pädagogik die Annahme, dass die Individualität bzw. das individuelle Interesse des Einzelnen eine höhere Priorität besitzt als eine gemeinsame, inhaltlich notwendige Aufgabenorientierung, die es zu erledigen gibt. Auf der anderen Seite setzen Menschen persönliche Bedürfnislagen über erforderliche Arbeitsanforderungen („Mir geht es heute nicht gut“/„Das kann ich nicht, jemand anders kann es besser“/„Es gibt nicht nur den Kindergarten für mich“/„Bei besserer Bezahlung würde ich mich auch mehr einbringen“ ...). Damit machen sie sich selbst – nicht die Kinder, nicht die Profilentwicklung einer Einrichtung, nicht die Qualitätsverbesserung des Tätigkeitsfeldes – zum eigentlichen Ausgangs- und Mittelpunkt der Betrachtung. Wenn in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen werden muss, warum beispielsweise die Qualität vieler elementarpädagogischer Einrichtungen nur ausreichend oder mangelhaft ist (beispielsweise in den Arbeitsschwerpunkten Öffentlichkeitsarbeit, Elternbildung und -beratung, Struktur- und Zeitmanagement, Konflikt- und Methodenkompetenz, Bildungsarbeit in Sinnzusammenhängen), dann liegt die Antwort klar auf der Hand: Persönliche Eitelkeiten und ungelöste Gruppenkonflikte blockieren qualitätsgeprägte Entwicklungen. Aufgrund dieser Erkenntnis beginnen viele Kollegien damit, zunächst eine Bestandsaufnahme ihrer „Teamarbeit” zu machen, ausgerichtet auf die Frage, ob die eigene Arbeitsgruppe tatsächlich ein Team ist.

Eine Teamcheckliste: Sind wir überhaupt ein Team?

Es ist hilfreich, wenn sich alle Mitarbeiter/-innen in einem Kollegium zunächst auf folgende Eckwertefragen konzentrieren:

  • Gibt es gemeinsame handlungsleitende Werte, die auf eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung ausgerichtet sind? Wenn ja, welche?
  • Besteht tatsächlich eine positive, zielbewusste Einstellung zu selbsterfahrungs- und fachorientiertem Lernen? (Beispiele von allen Kollegen!)
  • Fühlt sich tatsächlich jedes Mitglied des Kollegiums verantwortlich für das Profil der Einrichtung? Wie zeigt sich das bei wem in der Praxis?
  • Schätzt jede(r) Mitarbeiter/-in ihre Fach- und Handlungskompetenzen realistisch ein und werden von jedem Schritte unternommen, das vorhandene Potenzial Schritt für Schritt auszubauen? (Beschreibung von Entwicklungen!)
  • Gehören Tagesreflexionen im Hinblick auf Zielüberprüfungen zur alltäglichen Praxis und werden dabei entdeckte Defizite in konstruktive Handlungsziele umgearbeitet?
  • Werden persönliche Vorlieben und Interessen mit arbeitserforderlichen Notwendigkeiten verglichen und erstere ggf. zurückgestellt? (Beispiele!)
  • Bestimmt der konstruktive Dialog unter den Kollegen das tägliche Arbeitsklima oder gibt es destruktive Umgangsformen (sich aus dem Weg gehen, Oberflächlichkeit der Beziehungen)?
  • Werden Erwartungen bezüglich der persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung formuliert, offen geäußert und als neue Zielsetzungen für die eigene Person angesehen?
  • Werden Unstimmigkeiten im Kollegium von allen Personen thematisiert und auf sachlicher Ebene geklärt? Wer hält sich zurück bzw. zieht sich aus der Verantwortung?
  • Zeigen sich alle Kollegen als faire Mit-Streiter/-innen und bringen sie fachliche Neugierde, aktive Vorschläge bei bedeutsamen Fragestellungen und sachliches Interesse bei Problemlösestrategien mit?
  • Gehört ein „entdeckendes Lernen“ zum Alltag aller Mitarbeiter/-innen und unternehmen alle den Versuch, negative Merkmale der Arbeit zielorientiert zu verändern und positive Entwicklungen effektiv zu unterstützen bzw. zu toppen? (Beispiele!)
  • Sind alle Kollegen in der Selbst- und Fremdbeobachtung geübt und unterstützen sie durch aktive Handlungsschritte Selbst- und Fremdentwicklungsprozesse?
  • Kommen von allen Kollegen bei Dienstbesprechungen, Konferenzen und Arbeitssitzungen Impulse zur Verbesserung der Umgangskultur und des Arbeitsklimas?

Teamarbeit kennzeichnet sich also zunächst in einer zielorientierten Bestandsaufnahme des „Status quo“, weil es vor allem da­rum geht, den Teambegriff klar auf den Punkt zu bringen und ggf. Schwachpunkte zu verändern. So wie es einerseits kein „gutes“ oder „schlechtes“ Team gibt, gibt es andererseits doch den Begriff „Team“ selbst als ein feststehendes Qualitätsmerkmal. Andernfalls ist es eine Arbeitsgruppe, ein Kollegium oder ein Zusammenschluss von elementarpädagogischen Mitarbeiter/-innen. Wenn dem recht sorglosen und leichtfertigen Gebrauch des Begriffes „Team“ zunächst ein Riegel vorgeschoben wird, ist ein erster, aber wesentlicher Schritt im Aufbau einer Teamqualität getan.

Teamqualität und ihre Merkmale

Wenn es in der Programm- und Produktqualität einer elementarpädagogischen Einrichtung darum geht, Grundsatzfragen zu klären, konzeptionelle Eckwerte für die Pädagogik festzuschreiben und sowohl im Innen- als auch im Außenbereich transparent zu machen, den Kindern feste Bindungserfahrungen zu ermöglichen und den bedeutsamen Erziehungs-, Betreuungs- und Bildungsauftrag fachkompetent umzusetzen, bedeutsame Sachkontexte zu beachten und sinnverbundenes Verhalten zu zeigen, dann ist das Kollegium als Team der Ausgangspunkt für das Erreichen dieser Ziele.

Teamqualität zeigen heißt,

  • in lebendiger Auseinandersetzung miteinander persönliche und fachliche Unterschiede zu entdecken und durch Weiterentwicklung eine gemeinsame Sicht- und Verhaltens­basis aufzubauen;
  • Beziehungen miteinander zu thematisieren und dort, wo es nötig ist, Klärungsprozesse einzuleiten, um Widerstände, Vorurteile, Misstrauen und zurückliegende Verletzungen abzubauen;
  • Selbstverantwortung zu übernehmen und an den Stellen zu zeigen, an denen eine fachliche Profilierung angezeigt ist;
  • persönliche Ressourcen und eigene Potenziale immer wieder aufs Neue zu entdecken, aufzunehmen und auszubauen;
  • sich mit der Arbeit, den Zielen und fachlichen Aufgaben der eigenen Einrichtung zu identifizieren, um dem Haus ein unverwechselbares Profil geben zu können;
  • zurückliegende Erfahrungen auf ihren heutigen Bedeutungswert zu überprüfen und neue Visionen zuzulassen, damit aktuelle und künftige Anforderungen schon in der Gegenwart strukturiert vorbereitet werden können;
  • regelmäßige Dienstbesprechungen mit allen Beteiligten für fachliche Gespräche und Arbeitsplanungen zu nutzen;
  • bei Arbeitsvorhaben entsprechend einer Prioritätenliste Schwerpunkte zu setzen, bei denen jedes Mitglied des Kollegiums eine entsprechend anspruchsvolle Aufgabe übernimmt;
  • bei schwierigen Problemen oder größeren Konflikten hilfreiche Einigungsprozesse einzuleiten, um Beziehungsschwierigkeiten zu minimalisieren und Sachklärungen in den Vordergrund zu stellen;
  • motiviert, neugierig, engagiert und innovativ an einer Teamkultur mitzuarbeiten, sodass trotz aller neu auftauchenden Probleme und Fragestellungen ein gutes Klima für sach­orientierte Pädagogik hergestellt ist;
  • Konflikte als eine Herausforderung zu begreifen, in der es nicht um Sieger und Verlierer, sondern um Chancen der individuellen und institutionellen Entwicklung geht.

Ohne Frage ist ein Team damit die Quelle für Produktivität, Fantasie, Kreativität und gleichzeitig Realitätsbewusstsein. Damit ist ein Team auch ein Medium für lebendige Kommunikation und ein Ort für Sozialkompetenz und Fachorientierung. Das Team wird dann als Motor dafür wirken, nötige Arbeitsreformen zuzulassen und Systemveränderungen zu ermöglichen. Ein Team zeichnet sich als ein Ort der Leistungsmotivation aus und dient ganz nebenbei als Korrektiv für destruktiv eingeschlagene Arbeitswege.

Stolperfallen für die Teamentwicklung

Die Entwicklung von der Gruppe, dem Kollegium zum Team ist ein arbeitsintensiver Prozess, bei dem jeder dazu beitragen muss, dass diese Entwicklung in Gang gesetzt wird. Häufig gibt es Verhaltens­weisen, die es einer Gruppe erschweren, sich zu einem Team zu entwickeln. Vor allem sind es immer wieder dieselben Vorstellungen, die – offen oder verdeckt – dafür sorgen, dass Prozesse nicht vorankommen. So unterbricht ein „Harmonieverständnis“ die Dynamik, Dinge auf den Tisch zu bringen, um beispielsweise „alte Geschichten“, die sogenannten „Leichen im Keller“ zu thematisieren. Gleichzeitig werden oftmals „Problemmantelpunkte“ diskutiert, nicht selten in epischer Länge, durch die die eigentlichen Problemkerne verdeckt und ausgeklammert werden. „Fehlende Selbstkritik“ oder „Selbstdarstellungsversuche“ lenken von thematischen Schwerpunkten ebenso ab wie Rivalitäts- oder Machtkämpfe, die einzig und allein dem Ziel dienen, individuelle Beziehungsgefechte zu gewinnen.

Das Team als Klassifikation für Qualität und Güte

Das Team als Klassifikation für Qualität und Güte orientiert sich an professionellen Maßstäben, um mit Fach-, Sach- und Methodenkompetenz ein inhaltlich gesetztes Ziel zu erreichen. Das „offene Feedback“ als Einführung in einer Dienstbesprechung ist dabei ein ebenso großer Zeitkiller wie das Bestehen auf Begriffe wie z. B. „Offenheit“ oder „Toleranz“. Solche Schlagwörter sind in einer professionellen Pädagogik nicht mehr zu finden, ebenso wie zeitraubende Einstiegsrunden. Qualitätskriterien geben spezifische Anforderungen an Verhaltensmerkmale vor: Insofern ist Intoleranz gegenüber denjenigen Verhaltensweisen erforderlich, die eine Qualitätsentwicklung verhindern. Und wer unter Offenheit die Anforderung versteht, jede neue bildungspolitische Strömung zu verfolgen, vergibt die Chance einer sorgfältigen Prüfung, ob der neue Impuls tatsächlich nutzbar oder nutzlos, vielleicht sogar kontraproduktiv ist. Die Arbeit im Team hat sich den inhaltlichen Aufgaben einer Einrichtung zu stellen, in der Kinder entwicklungsförderliche oder -hemmende Einflüsse erfahren. Persönliche Befindlichkeiten sollten dabei stets im privaten Bereich geklärt werden (was nicht heißt, eine Beziehungskultur durch wertorientiertes Verhalten zu pflegen!).

Statt des „Spiegelns von Empfindungen als Form der Rückmeldung“ geht es um direkte, deutliche Auseinandersetzungen, die durch Klarheit und ein Interesse an allen Personen charakterisiert sind. Statt um „Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten“ geht es um problemverändernde Verhaltensanforderungen an sich selbst und andere, darum Unstimmigkeiten und Problemstellungen strukturiert auf den Tisch zu legen. Und wenn es in der Entwicklung von Teamarbeit immer wieder an nicht ausreichender Motivation zur Weiterentwicklung, an fehlendem Engagement, an unzureichenden Qualifikationsmerkmalen und an zu niedrigen Leistungsstandards liegt, dass Qualität in Kinderschuhen stecken bleibt, dann muss es dem Kollegium gelingen, Grundsätzlichkeiten zu klären! Und darin liegt stets der Kern von Teamentwicklungsprozessen. Erst wenn sogenannte Problemmantelpunkte (also Nebensächlichkeiten) beiseitegelegt und „Problemkerne“ (Aufgaben mit erster Priorität) inhaltlich gelöst werden, erst dann kann das Augenmerk auf eine von Qualität geprägte Elementarpädagogik gelenkt werden.

Foto: drubig-photo www.fotolia.de

Diesen Artikel haben wir aus dem Buch von Armin Krenz mit dem Titel „Grundlagen der Elementarpädagogik“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus-Laetare erschienen.

Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN/EAN: 9783944548036
22,00 €

 

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