Umgang mit Kindeswohlgefährung

Grundlage des pädagogischen Handels sollte die Konzeption oder das Leitbild der Einrichtung sein, die sich am Recht des Kindes auf eine gewaltfreie, wertschätzende und liebevolle Erziehung orientiert. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes und die Stärkung seiner Persönlichkeit sind dabei feste Bestandteile der Bildungsarbeit.

Gibt es genaue Indikatoren für die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung?

Es gibt keine wissenschaftlich gesicherten Indikatoren, aus denen sich eine Kindeswohlgefährdung
mit eindeutiger Sicherheit ablesen lässt. Daher ist der Prozess der Einschätzung wichtig,
um verschiedene Aspekte zu berücksichtigen:

Welche Anhaltspunkte gibt es für eine Kindeswohlgefährdung?
Wie ist die Situation der Familie? Teilen Familie und KiTa die Wahrnehmungen?
Sind die Eltern bereit, Hilfe anzunehmen? Welche Möglichkeiten gibt es, das Kind in der
Einrichtung zu unterstützen? Welche Versuche haben die Eltern bereits unternommen?
Nicht jede Unterversorgung, Krankheit etc. bedeutet eine Kindeswohlgefährdung, doch meistens
wird in solchen Fällen das Handeln der KiTa in Bezug auf Eltern und/oder Kind notwendig.
Daher braucht jede KiTa Unterstützungsangebote und Verfahrensweisen, wie sie fachlich mit
irritierenden Wahrnehmungen von kindlichem Verhalten, Schwierigkeiten im Gespräch mit Eltern
oder auch Unsicherheiten in Bezug auf eigene Verhaltensweisen umgehen kann. Hilfreich sind hierbei Fachgespräche, Supervision, kollegiale Beratung und andere Unterstützungsmöglichkeiten
für pädagogische Fachkräfte.

Erzieherinnen erleben die Kinder oft über einen langen Zeitraum hinweg. Sie sind beständige
Bezugspersonen und fachlich kompetent, um Verhaltensänderungen oder Auffälligkeiten
besonders früh bemerken zu können. Die systematische Beobachtung der Kinder, das heißt die Beobachtung ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung, kann im Falle einer Kindeswohlgefährdung eine „Frühwarnfunktion“ übernehmen.
Die Ergebnisse regelmäßiger Beobachtung müssen daher kontinuierlich dokumentiert
werden. Darüber hinaus sollten Auffälligkeiten und Verhaltensänderungen des Kindes im Team
besprochen, reflektiert und ggf. weitere Schritte abgestimmt werden: Welche Veränderungen
nehme ich wahr? Wie begegne ich diesem Verhalten? Wie geht es mir als Pädagogin mit der
Situation? Was bedeutet dies für meine pädagogische Arbeit? Welche anderen Möglichkeiten
im Umgang mit der Situation gibt es? Die Eltern und die Familie prägen die Entwicklung
und die Möglichkeiten eines Kindes in weitaus größerem Maße als Bildungsinstitutionen
wie Kindertageseinrichtung und Schule. Eine wertschätzende und partnerschaftliche
Zusammenarbeit mit den Eltern ist daher gerade im Interesse des Kindes unerlässlich. Ein
vertrauensvolles Verhältnis zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften ist oftmals die
Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Rat und Unterstützung. Eltern haben
wenig Vertrauen, wenn sie sich unverstanden, gemaßregelt oder beschämt fühlen. Auch wenn
Eltern anders leben, als sich die Pädagogen dies für das Kind wünschen, ist es wichtig, diese
Lebensweise nicht zu verurteilen. Die Eltern spüren (auch unbewusst) sehr genau, mit welcher
Haltung ihnen begegnet wird und auch die Kinder erfassen intuitiv sehr schnell, wie gut
sich die Eltern und die Pädagogen verstehen. 

Wenn Kinder in ihren Familien Gewalt oder Vernachlässigung erleiden, sind sie darauf
angewiesen, dass Erwachsene ihre Situation erkennen, ihnen beistehen und ihnen helfen.
Doch das Wohl eines Kindes ist nicht immer durch die Herausnahme eines Kindes aus der
Familie zu erreichen. Kinder lieben ihre Eltern und hängen an ihnen. Obwohl dies mitunter
widersprüchlich erscheint, gilt das auch für Kinder, die von ihren Eltern nicht gut behandelt
werden. Daher kann der Verbleib eines Kindes in der Familie auch dann sinnvoll und richtig
sein, wenn in der Familie Gewalt ausgeübt wird. Angemessene Hilfe kann deshalb in vielen Fällen
darin bestehen, Mütter und Väter in ihren Erziehungsaufgaben professionell zu unterstützen.
Die Bitte um Hilfe kann sowohl von dem Kind selbst als auch von Personen aus dem
familiären Umfeld ausgehen. In beiden Fällen ist es wichtig, die eigenen Grenzen und
Möglichkeiten zu kennen. Kinder in schwierigen Lebenssituationen neigen
dazu, sich zu isolieren. Dies kann geschehen, indem sie sich zurückziehen oder auch, indem
sie sich besonders „schwierig“ oder aggressiv verhalten und so andere Kinder oder die
Erzieherinnen verschrecken. Die besondere Herausforderung besteht darin,
diese Kinder aus ihrer Isolation zu holen und sie in den Alltag der Kindertagesstätte zu
integrieren. Stabile, sichere Beziehungen sind für die Bewältigung schwieriger Lebenssituationen
besonders wichtig. Im Mitelpunkt des pädagogischen Handelns muss daher der
Aufbau dieser sicheren Bindungen stehen.

Was erwarten Kinder von Erzieherinnen?

Wenn Kinder von Erlebnissen und von ihren Gefühlen erzählen, erwarten sie von der Erzieherin,
dass diese:

¬ offen und interessiert zuhört und nachfragt, wenn sie etwas nicht verstanden hat.

¬ durch ihre Worte und durch ihre Körpersprache, insbesondere durch Gestik und Mimik, dem Kind zeigt, dass es verstanden wird.

¬ die Themen des Kindes einfühlsam aufgreift, ohne „bohrende Fragen“ zu stellen.

¬ dem Kind Zeit lässt, in seinem Tempo zu erzählen.

¬ respektiert, wenn das Kind nichts mehr sagen möchte oder kann.

¬ Position bezieht bezüglich Recht und Unrecht und z.B. deutlich macht, dass Kinder nicht geschlagen    werden dürfen.

¬ hilft, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Grundlegende Haltung im Kontakt mit dem Kind:

• Das Kind ist eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Fähigkeiten und Potenzialen.
Es ist wichtig, das Kind in seiner Gesamtheit wahrzunehmen und nicht nur als Opfer der
Situation.

• Die pädagogischen Fachkräfte sollten immer ehrlich zu dem Kind sein und ihm offen sagen,
wenn es notwendig ist, sich an Dritte zu wenden. Daher darf dem Kind keine uneingeschränkte
Vertraulichkeit zugesichert werden, die dann ggf. gebrochen werden muss.

Mehr Infos zum Thema in:
Richtig helfen – wann und wie?
Ein Leitfaden zum Thema Kindeswohlgefährdung

Herausgeber
KiNET – Netzwerk für Frühprävention, Sozialisation und Familie
Espenstraße 5, 01169 Dresden

www.kinet-dd.de

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