Dezember 2012

Praxis

Jahreszeiten Teil 1: Wie entstehen Jahreszeiten?

Spätestens seit Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei wissen wir, dass wir eigentlich nur vom Lauf der Erde sprechen sollten. Die Sonne ist unser Zentralstern. Um ihn dreht sich buchstäblich unser Leben. Dennoch wandert – von unserem Erden-Standpunkt aus gesehen – jeden Tag die Sonne an uns vorüber. Sie beschreibt eine Bahn. Weil sich diese Bahn in den meisten Gegenden unseres Planeten über das Jahr verändert, gibt es die Jahreszeiten. Warum ist dies so? Wann und wo scheint die Sonne für uns wie stark?

Im Sommer ist es heiß und im Winter friert es, im Frühling blühen die Bäume und im Herbst fallen pünktlich ihre Blätter. Nun, gerade in den letzten Jahren haben wir zu spüren bekommen, dass die Natur sich nicht immer an den Kalender hält. Was sagen die, die von Amtswegen für das Wetter zuständig sind?

Meteorologen denken praktisch

Für die Meteorologen beginnt der Frühling am 1. März, der Sommer am 1. Juni, der Herbst am 1. September und der Winter am 1. Dezember. Die Weltorganisation für Meteorologie, eine Unterorganisation der UN, hat dies aus einem sehr einfachen Grund so festgelegt. Meteorologen können mit diesen Daten leichter Statistiken führen und Klimavergleiche anstellen.
Die meisten Wetter- und Temperaturschwankungen, die wir an einem bestimmten Ort spüren, sind die Folge komplexer meteorologischer Zusammenhänge. Diese Zusammenhänge überlagern eine grundlegende Ursache für das Phänomen „Jahreszeiten“. Als Bewohner des Planeten Erde sind wir in ein astronomisches System eingebunden. Dieses ruft Temperatur- und Helligkeitsschwankungen in Zeitperioden von der Länge eines Jahres hervor.

Die Astronomen wissen es genau
Astronomische Daten legen also den Beginn und das Ende der Jahreszeiten fest, wie wir sie in unserem Kalender finden. Die Astronomen sprechen vom „tropischen“ Jahreszyklus. Das Wort trope ist altgriechischen Ursprungs und bedeutet „Wendung, Umkehr, Wendepunkt“. Zur Bestimmung der Jahreszeiten betrachten die Astronomen bestimmte Wendepunkte auf der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Fragt man einen Astronomen nach den Daten für Frühlingsanfang und –ende, so antwortet er: „Der Frühling beginnt bei uns, wenn die Erde einen Äquatorial-Punkt durchläuft, also am 21. März und er endet, wenn die Erde die Solstitial-Linie im Aphel passiert, das geschieht am 21. Juni, dem Tag der Sommer-Sonnenwende.“

Umlaufebene und Rotationsachse - Wie bewegt sich unsere Erde?
Das klingt kompliziert und ist es auch. Dennoch kann sich der Laie die großen Abläufe, in die unsere Erde eingebunden ist, gut vorstellen. Im Lauf eines Jahres umwandert unsere Erde die Sonne in einer fast kreisförmigen Bahn. Diese Umlaufbahn liegt rechnerisch auf einer Ebene, der so genannten Umlaufebene.
Die Erde dreht sich jedoch nicht nur um die Sonne, sondern auch um sich selbst. Für eine ganze Umdrehung braucht sie einen Tag. Die gedachte Linie zwischen Nordpol und Südpol, um die sie sich dreht, ist die Erd- oder Rotationsachse.

Kleiner Winkel, große Wirkung
Charakteristisch für die jahreszeitlichen Temperaturschwankungen ist, dass auf dem südlichen Teil der Erdkugel Winter ist, wenn bei uns die Sonne richtig heiß vom Himmel brennt. Wenn wir zum Baden gehen und in der Sonne schwitzen, zeigen uns die Fernsehnachrichten fröstelnde Menschen in Australien, Schnee in Südafrika und verheerende Stürme am Kap Hoorn in Südamerika. Dieses Phänomen entsteht, da die Rotationsachse der Erde nicht genau senkrecht zu ihrer Umlaufebene steht, sondern leicht gekippt ist. Durch diese Abweichung der Rotationsachse aus der Senkrechten, ist auf der halben Umlaufbahn die Nordhalbkugel unseres Planeten der Sonne etwas stärker zugeneigt und auf der anderen Hälfte die Südhalbkugel.

Die Schiefe der Ekliptik
Stünde die Rotationsachse der Erde senkrecht zu ihrer Umlaufebene um die Sonne, so läge der Erd-Äquator genau auf dieser Umlaufebene. Tatsächlich sind die Äquatorialebene der Erde und die Sonnen-Umlaufebene jedoch so gegeneinander geneigt, dass sie einen Winkel von 23°27’ bilden. Diesen Winkel nennen die Astronomen „Schiefe der Ekliptik“.

Die Reise der Erde um die Sonne
Würde man die Erde wie eine Apfelsine genau in der Mitte, also am Äquator, durchschneiden und ließe nur die Südhalbkugel um die Erde kreisen, so würde die Schnittfläche im Verlauf eines Umlaufjahres ihre eigene Neigung nicht verändern. Gerade dadurch änderte sich jedoch ihr Stand zur Sonne beträchtlich. Für ein halbes Jahr läge sie im Schatten, da sie der Sonne abgewandt wäre. In der anderen Jahreshälfte wäre sie beleuchtet. Auf einem Punkt der Umlaufbahn unserer Halbkugel um die Sonne wäre die Apfelsinen-Schnittfläche der Sonne am deutlichsten abgewandt. Auf der gegenüber liegenden Seite der Umlaufbahn gäbe es einen Punkt, in dem unsere Schnittfläche der Sonne am deutlichsten zugeneigt wäre. Diese beiden Punkte nennen die Astronomen Solstitialpunkte. Genau auf halbem Weg zwischen den Solstitialpunkten liegen jeweils die Äquatorialpunkte. Hier befände sich die Schnittfläche jeweils genau quer zur Sonne, das heißt sie würde vom Licht in den Schatten wechseln und umgekehrt. Setzten wir beide Apfelsinenhälften wieder zusammen und schicken sie erneut auf ihre Reise um die Sonne, so stellen wir fest: in den Solstitialpunkten sind die Unterschiede der Sonneneinstrahlung auf die Nord- und die Südhalbkugel am größten. In den Äquatorialpunkten ist die Sonneneinstrahlung auf beiden Halbkugeln gleich stark.

Einstrahlintensität
Wenn unsere Nordhalbkugel der Sonne entgegen geneigt ist, herrscht bei uns Sommer. Den entsprechenden Solstitialpunkt durchläuft die Erde am Tag unserer Sommer-Sonnenwende. Das Sonnenlicht legt an diesem Tag den kürzesten Weg zu uns zurück und die meisten und stärksten Strahlen treffen unsere nördliche Halbkugel. In unserem Winter-Solstitialpunkt ist die Nordhalbkugel am weitesten aus dem Sonnenlicht heraus gedreht. Die Sonnenstrahlen müssen den längsten Weg zu uns zurücklegen und treffen nur schräg auf. Dadurch sind sie schwächer und weniger zahlreich.
Zu unserer Sommersonnenwende scheint die Sonne besonders intensiv. Die Erde wärmt sich auf und es folgt der Sommer mit den höchsten Jahrestemperaturen. Im Winter ist die Sonneneinstrahlung schwach und die Temperaturen erreichen ihren niedrigsten Punkt. Auf der Südhalbkugel verhält es sich genau umgekehrt.

Einstrahldauer
Im Verlauf der Jahreszeiten spüren wir jedoch nicht nur die wechselnden Temperaturen, sondern die Sonne zeigt sich auch unterschiedlich lange am Himmel. Wenn die Erde sich jeden Morgen ins Sonnenlicht hereindreht, so geschieht dies im Sommer früher und im Winter später. Zur Sommerzeit steht die Sonne mittags höher am Himmel und im Winter tiefer. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen (Äquatorialpunkte) steigt die Sonne genau bis zur Mitte zwischen den beiden Extremen. Diesen mittleren Sonnenstand beschrieben die Astronomen mit 0°. Im Sommer steigt die Sonne um 23°27’ höher, im Winter um 23°27’ niedriger. Diese Winkelabweichung entspricht genau der Schiefe der Ekliptik. Insgesamt variiert der von der Erde aus zu beobachtende Sonnenstand also um 46°54. Dieser Winkel bewirkt auch, dass die Sonne im Sommer früher auf- und später untergeht als im Winter.

Die Sonnenwenden

Die Winter-Sonnenwende ist der 12.00-Uhr-Punkt am 21. Dezember. Die Sommer-Sonnenwende ereignet sich am 21.Juni. Unser längster Sommertag ist gleichzeitig der kürzeste Wintertag auf der Südhalbkugel. Die Sommer-Sonnenwende des Nordens ist die Winter-Sonnenwende des Südens und umgekehrt. Unser längster Tag am 21. Juni dauert 16 Stunden und wurde im Kalender als Sommeranfang festgelegt. Unser kürzester Tag, der 21. Dezember, dauert etwa acht Stunden und ist unser kalendarischer Winteranfang.

Die Tag- und Nachtgleichen
Um den 21. März erreicht die Sonne die Frühlingstagundnachtgleiche (Frühlingspunkt) und um den 23. September die Herbsttagundnachtgleiche (Herbstpunkt). Frühlings- und Herbstanfang in unserem Kalender sind also durch die Tag- und Nachtgleichen festgelegt. Ein Tag und eine Nacht dauern hier im Süden und im Norden genau gleich lang, nämlich 12 Stunden.

Und wie ist es an den Polen?
Je weiter man zu den Polen wandert, desto extremer wird der Unterschied in der Einstahldauer. Am Nordpol ist die Sonne von etwa April bis August 24 Stunden lang zu sehen und lässt sich dafür in den Monaten Oktober bis Februar überhaupt nicht blicken. In den Monaten März und September herrscht ein diffuses Dämmerlicht. Am Südpol ist in unserem Sommer Nacht und Winter, in unserem Winter Tag und Sommer.

Das tropische Jahr
Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, wieso unser Herbst nicht am 21., sondern erst am 23. September beginnt. Die Erde umwandert die Sonne in einer leicht elliptischen Bahn, das heißt in Form eines verzerrten Kreises. Die Sonne steht nicht genau im Mittelpunkt dieser Ellipse, sondern seitlich etwas verrückt in einem der beiden Ellipsen-Brennpunkte. Damit ist die Erde einmal etwas näher und einmal etwas weiter von der Sonne entfernt. Im sonnennahen Punkt, dem Perihel, beträgt die Entfernung 147 Millionen Kilometer und im sonnenfernen, dem Aphel, 152 Millionen Kilometer. Den Perihel-Punkt durchläuft die Erde etwa am 3. Januar, also kurz nach unserer Wintersonnenwende, der sonnenferne Aphel-Punkt ist auf den 4. Juli datiert. Um diese Asymmetrie der Umlaufbahn auszugleichen, hat man uns bei der Berechnung unseres Kalenders zwei Sommertage „geschenkt“ und den Herbst entsprechend nach hinten datiert. Zudem kommt es durch verschiedene planetare und stellare Einflüsse zu kleinen räumlichen und auch zeitlichen Veränderungen. Die astronomische Berechnung der genauen Anfänge und Enden unserer Jahreszeiten ist somit ausgesprochen komplex. In unseren Breiten gelten zur Zeit folgende Werte für das „tropische Jahr“: der Frühling dauert ca. 92 Tage und 19 Stunden, der Sommer volle 93 Tage und 15 Stunden, der Herbst noch 89 Tage und 19 Stunden und der Winter ist bereits nach 89 Tagen zu Ende.
Die Astronomie ist eine höchst spannende Wissenschaft. Wer etwas mehr über den Lauf der Gestirne erfahren möchte, der sollte einfach eines der vielen Planetarien besuchen.

Quelle: Hopsa / Heft 12