Februar 2012

Praxis

Pflanzenspaß für Kinder

Wenn der Frühling kommt, dann beginnt draußen so langsam alles zu sprießen. Doch die Kinder können auch drinnen ihr eigenes kleines Beet anlegen und den Pflanzen beim Wachsen zusehen.

Pflanzen wachsen lassen
Kinder entdecken die Welt - Entdeckenswertes im Frühling 

Auch im Kindergarten kann man um diese Jahreszeit leicht ein schönes Beet anlegen:
Man braucht nur etwas Erde, eine Handvoll Weizenkörner und ein flaches,breites Gefäß.

Bevor man beginnt, legt man am besten etwas Zeitungspapier unter. Dann nimmt man größere und flache Tontöpfe oder auch eine alte, große Porzellanservierplatte (selbst eine neue Platte oder ein tiefes Ofenblech überleben die Prozedur!). Dort hinein dürfen die kleinen Gärtner einige Zentimeter Erde füllen und alles erst einmal genüsslich mit einer Gabel umgraben, bevor sie es glatt rechen. Man besorge sich ein oder zwei Handvoll Weizenkörner, die es lose und billig in jedem Bioladen gibt.

Die Kinder dürfen die Körner gleichmäßig auf der Erde verteilen und fest andrücken. Die Körner müssen nicht mit Erde bedeckt sein. Anschließend wird gut gegossen und darauf geachtet, dass die Erde über die Tage immer schön feucht bleibt. Jeden Tag muss der kleine Gärtner oder die kleine Gärtnerin mindestens einmal gießen. Über alles kommt für die ersten zwei, drei Tage eine Lage Zeitungspapier, bis der grüne Halm einen Zentimeter gewachsen ist.

Als Zeitvertreib kann man ein kleines, buntes Schild malen, etwa mit der Aufschrift "Felix' Beet, bitte nicht betreten".

Ist es nicht spannend, morgens nachzusehen, wie das Gras über Nacht gewachsen ist? Gerade Weizen sprießt so schnell, dass man gleich am nächsten Tag schon wieder über den Fortschritt staunen kann.

Legt man das Beet etwa zwei Wochen vor Ostern an, kann es sogar sein, daß der Osterhase die Mühe belohnt und seine bunten Eier in das schöne Nest legt ...

Quelle: www.spielundzukunft.de


Praxis

Tanzen mit Kindern

Photo by Juliane Liebermann on Unsplash

 

Kinder lieben es, zu tanzen. Das macht ihnen nicht nur Spaß - mit dem Tanzen bekommen sie auch einen musikalischen Zugang zu Bewegung. Sie können ihren eigenen Bewegungsrhythmus entdecken. Sie schlüpfen in neue Rollen hinein. Sie lernen ihren Körper zu benutzen um sich auszudrücken. Wie wäre es, wenn Sie mit den Kindern in Ihrem Kindergarten einmal pro Woche tanzen? Dazu müssen keine genauen Tanzschritte gelernt werden, denn Kinder sind kreative Tänzer - sie erfinden immer wieder neue Schritte. Die Projektidee „Tänze aus aller Welt“ zeigt Ihnen, wie Sie Kinder ans Tanzen heranführen.

Für Kinder ist es wichtig, sich auf das Tanzen und die Musik einstimmen zu können. Gerade jüngere Kinder wollen gerne wissen, um was sich der Tanz dreht. Sie wollen das Thema kurz beschnuppern oder die Figuren kennen lernen, um die es sich da dreht. So können sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen und ihren eigenen Bewegungsrhythmus finden. Die Tanzstunde stimmt also in einem ersten Teil die Kinder auf den Tanz ein, in einem zweiten Teil geht es darum, einen bestimmten Tanz mit bestimmten Schritten einzustudieren.

Um eine Tanzstunde für Kinder zu geben braucht man kein Tanzlehrer zu sein. Ein paar Grundelemente bieten sich für jede Tanzstunde an (hier am Tanz „Schneeflöckchen“ erläutert):

Erster Schritt: Gemeinsam den Körper aufwärmen: ein kurzes Bewegungsspiel reicht dazu völlig aus, z.B. Kinder erstarren zu Eis wenn die Musik aufhört.

Zweiter Schritt: Gemeinsam in Stimmung kommen: Sie können die Kinder beispielsweise auf das Thema Winter einstimmen, indem Sie kleine Geschichten über den Schnee und die Schneeflöckchen erzählen. Hören sich die jeweilige Musik am Besten kurz an, bevor Sie sich mit den Kindern bewegen.

Und jetzt beginnt das gemeinsame Tanzen! Je nach Alter der Kinder oder auch je nach Thema bieten sich zwei Formen an:

Tanzen mit improvisierten Bewegungen: Die Kinder tanzen zu den Geschichten oder zur Musik, wie es ihnen passend erscheint - sie bewegen sich wie die Schneeflöckchen, sie tanzen einen Schneesturm, oder sie laufen auf einer Schneedecke ...

Tanzen nach festgelegten Schritten: Diese Form bietet sich eher für ältere Kinder an. Sie geben dazu ein bis zwei Schritte vor, die Kinder bauen daraus Schritt für Schritt den Tanz auf. (Tipp: nie den gesamten Tanz auf einmal tanzen, immer zuerst den ersten Teil üben, dann den zweiten usw.)

Praktische Tipps
Tanzen ist etwas Kreatives. Damit das Tanzen nicht in blosses „Toben“ ausartet, müssen die Weichen stimmen:

Rituale geben einen Rahmen vor.
Damit die Kinder einen Rahmen haben, sollte es zu Beginn und zum Schluss der Tanzstunde Rituale geben – z.B. einen Begrüßungs- und einen Abschiedstanz (hier sind sehr einfache Tänze wie beispielsweise „alle im Kreis tanzen“ gemeint).

Zeichen verhindern Chaos.
Da Kinder viel Energie haben und manchmal laut sein können, machen Sie mit den Kindern am besten ein Zeichen aus, das „Ruhe“ bedeutet, damit auch Sie zu Wort kommen. Klamotten machen kreativ. Um die Kinder zu begeistern eignet sich eine Klamottenkiste - verkleidete Kinder tanzen ganz von alleine. Die Klamottenkiste kann zu bestimmten Stunden mitgebracht werden (oder jedes Kind bringt seine eigene Verkleidung mit, die es zur Tanzstunde tragen möchte). Die richtige Tanzkleidung: Normalerweise ist es nicht nötig, dass die Kinder fürs Tanzen Sportkleidung anziehen. Aber bequeme Kleidung ist wichtig.

Der „Tanzraum“:
Da die Kinder auch auf dem Boden sitzen, liegen etc. müssen, sollte der Raum warm und sauber sein (am besten der Bewegungsraum des Kindergartens).

Und noch ein Wort zu den Jungen:
Jungen haben im Kindergartenalter normalerweise keine Abneigung gegen Tanzen. Sicher gibt es immer wieder einmal ältere Vorschulkinder, die aufgrund von Rollenverständnissen nicht so gerne tanzen. Durch Auswahl des Themas (z.B. tanzende Indianer oder Eingeborene, Benutzen von Maschine, Roboter, Tiger, Fahrstuhl als Bilder) können Sie diese Abneigung fast immer überwinden.

Gemeinsam den Körper aufwärmen
Damit alle Kinder verstehen, was sie machen sollen, gehen Sie bei der Tanzstunde vom „kleinsten gemeinsamen Nenner“ aus (z.B. können wohl alle Kinder ihren eigenen Arm bewegen). Am besten fangen Sie nicht mit schwierigen Übungen wie beispielsweise Tanzschritten an.

Aufbau eines festgelegten Tanzes
Ein Tanz ist eine Abfolge von Bewegungen. Die Abfolge ist nicht zufällig oder bedeutungslos, sondern abwechslungsreich: Mal am Boden, mal stehend, mal in der Gruppe, mal alleine. Mal schnell, mal langsam, mal bewegt, mal hektisch. Interessant ist, wenn plötzlich Stille kommt nach einer schnellen Musik – das lässt das schnelle Tempo besonders hervortreten.
Wenn Sie sich selbst einen Tanz ausdenken, nehmen Sie immer wieder auch die Zuschauerperspektive ein. Dann macht es Sinn, dass bestimmte Bewegungen paarweise, andere z.B. im Block oder in der Reihe gemacht werden.

Tipps:
Kinder beenden allgemein einen Tanz am liebsten mit einem schnellen Teil
Kleine Kinder bevorzugen symmetrische Bewegungen.
Beziehen Sie die bestimmte Verkleidung möglichst früh ein - das motiviert die Kinder

Wie erarbeite ich festgelegte Tänze mit Kindern?
Einfache Tänze kann man im Ganzen durchproben und z.B. am Schluss einer Stunde als Abschlussritual für die ganze Gruppe verwenden. Wenn Sie dagegen einen komplexen Tanz mit Kindern im Kindergartenalter erarbeiten, ist es gut, die Teile schrittweise zu bearbeiten. Üben Sie die einzelnen Teile mit den Kindern, z.B. nur eine bestimmte Bewegungsabfolge. Oder nur einen Schritt, der immer wieder vorkommt.

Übung
Damit sich die Kinder den Ablauf eines Tanzes besser merken können, kann der Tanz zu Übungszwecken auch nur „gegangen“ werden. Oder Sie lassen die Kinder den Tanz mit „tanzenden Fingern“ auf dem Boden nachgestalten. Ein Tanz kann auch „trocken“, d.h. ohne Musik geübt werden. Wenn dann die Musik hinzukommt, erfahren die Kinder die Ordnung durch die Musik und können sich die Abläufe besser merken. Auch wenn der Tanz noch nicht ganz fertig ist, kann er schon als Tanz geprobt werden, indem man noch nicht fertige Tanzteile improvisiert. Das Schöne dabei ist, dass die Kinder dann schon das Tanzerlebnis haben und motiviert bleiben. Üben Sie neue Tanzschritte einzeln, bevor sie in den Tanz eingebaut werden. Nehmen Sie, wenn möglich, die Tänze auf Video auf. Eine Videoaufnahme wirkt sehr motivierend auf die Kinder.


Praxis

Märchen zum Ausdrucken und Vorlesen

"Es war einmal..." - eine Geschichten-Sammlung mit vielen Gute-Nacht-Geschichten für Kinder. Märchen zum Vorlesen und Nacherzählen, zum Beispiel von den Gebrüdern Grimm (Märchen wie Rotkäppchen, Froschkönig, Rapunzel und Aschenputtel), sowie unbekannte und alte Märchen. Außerdem viele Fabeln und Vorlese-Geschichten.

Suche nach einem Kinder-Märchen oder einer Geschichte
Um für  Kinder Märchen oder Geschichten zu suchen, können Sie mit dieser Märchensuchmaschine beliebig viele der vorgegebenen Suchkriterien ausfüllen und so Ihre Suche nach einem Märchen, einer Fabel oder Gute-Nacht-Geschichte eingrenzen.

Den Märchen- oder Geschichten-Titel unter "Suchbegriff" eintragen
Eine Kategorie aussuchen (zum Beispiel "Weihnachtsgeschichten") oder
einfach die Liste der Kinder-Märchen und Geschichten für Kinder durchsehen. 

Die Märchensuchmaschine starten unter http://www.familie.de/maerchen/
Dort finden Sie auch zahlreiche Märchen in der Übersicht.


Praxis

Märchenkinder: Warum Märchen wichtig sind

Märchen sind nicht gleich Märchen, wie man am Beispiel des “Struwwelpeter“ unschwer erkennen kann. Entsprechend heißt es für alle, die Kindern Märchen erzählen oder vorlesen möchten, nicht einfach nur einen Band der schönsten gesammelten Werke zur Hand zu nehmen, sondern bereits im Vorfeld einige Überlegungen und Vorkehrungen zu treffen, um das Erlebnis des Märchenerzählens zu einem ganz besonderen werden zu lassen.

Kindermärchen und Märchenkinder
Um in die Märchenwelt eintauchen zu können, sollte ein Kind das entsprechende Alter haben. Und dieses Alter hat es in etwa, wenn es sein 4. Lebensjahr erreicht hat. Doch auch dann heißt es, die Märchen sorgsam auszuwählen: in Bezug auf ihren Inhalt und in Bezug auf ihre Form.

Inhaltlich sollten die erzählten oder vorgelesenen Märchen ganz klar ein positives Ende haben und dem Gut-Böse-Prinzip folgen. Denn genau mit diesem setzen sich Kinder in dieser moralischen Phase ihrer Entwicklung auseinander. Deswegen ist der Philipp aus dem Kindergarten heute auch noch so gemein und überhaupt der gemeinste Junge der ganzen Welt, morgen aber schon wieder der allerbeste Freund, den man sich nur wünschen kann. Das kindliche Denken ist also gerade in jungen Jahren ebenso schwarz-weiß wie die Einteilung der Märchenwelt.

Formal sollten die ersten Märchen des Weiteren auf jeden Fall nicht nur kurz genug sein, so dass das Kind ihnen komplett in einem durch folgen kann, sondern auch nur einen einzigen Erzählstrang aufweisen. Dieser einzelne Erzählstrang garantiert, dass die unheimliche, traurige, ungerechte oder trostlose Situation, die zu Beginn des Märchens existiert oder entsteht, sich am Ende zum Guten gewendet hat.

Dieser Zusammenhang, diese Auflösung ist das A und O der Wirkung und der Nachhaltigkeit von kindgerechten Märchen. Und genau deshalb sollten sie auch immer an einem Stück erzählt oder vorgelesen werden. Das heißt nicht, dass das Kind nicht dazwischenfragen oder eigene Überlegungen einstreuen darf, es bedeutet nur, dass der positive Ausgang nicht als Erzählung auf den nächsten Tag verschoben wird. Denn damit lässt man die Kinder allein und verloren in ihrer Fantasiewelt zurück.

Erst, wenn das Kind ein wenig älter und mit den ersten Märchen auch schon vertraut ist, kann man auf komplexere Märchen ausweichen, die a) mehr als nur einen Erzählstrang haben und b) dann natürlich auch über mehrere Tage hinweg erzählt oder vorgelesen werden können.

Deshalb gilt: Eltern sollten die Wahl des jeweiligen Märchens, das sie vorlesen oder erzählen möchten, schon im Vorfeld treffen und dieses entsprechend zumindest schon einmal für sich selbst in Ruhe gelesen haben.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Da Kinder durch Märchen dort abgeholt werden, wo sie sich seelisch und emotional in ihrer Entwicklung befinden, kann die passende Auswahl des Märchens diesen Effekt zusätzlich stärken und gleichermaßen die Problemlösung der magischen Welt als Anreiz und Ermutigung zur Problemlösung in der realen Welt geben.

So wenig wie Weihnachtsgeschichten also im Sommer vorgelesen werden, so wenig sollten klirrend-kalte Wintermärchen in zauberhaft-warme Frühlings-Abende gelegt werden. Die Märchen sollten sowohl zur Jahreszeit, im besten Fall jedoch auch, wie oben bereits angedeutet, zur Stimmung des Kindes passen.

Findet dieses beispielsweise im Kindergarten oder auch generell schwer Anschluss können Märchen über Mut, über Aufeinander-Zugehen oder über Freundschaften dem Kind helfen, eine eigene Lösung für die reale Situation, in der es sich befindet, zu entdecken. 

Kinder denken in Bildern – magisch und zauberhaft
Kinder, insbesondere Vorschul- und Grundschulkinder, betrachten die Welt mit ganz anderen Augen als wir Erwachsene sie sehen. Ein einfacher großer Pappkarton beispielsweise ist für sie alles, aber kein einfacher Pappkarton. Er ist Piratenschiff, Ritterburg, Drachenhöhle, Märchenschloss, Puppenstube und vieles andere mehr. Niemals aber ist er nur ein einfacher Karton aus Pappe. Denn im Gegensatz zu uns Erwachsenen, die gelernt haben, dass die Dinge sind, was sie sind, die erfahren haben, was möglich ist und was nicht, kennt das Kinderdenken noch keine Grenzen. Für Kinder ist alles vorstellbar und somit auch alles möglich. Kinder erwarten sozusagen das Unerwartete. Entwicklungspsychologen beschreiben dieses kindliche Denken deshalb auch als “magisches Denken“ oder “zauberhaftes Denken“.

Magisches Denken braucht magische Anregung
Märchen-Gegner betonen immer wieder, dass sie ihren Kindern auch deshalb keine Märchen erzählen oder vorlesen, weil sie auf gar keinen Fall möchten, dass ihr Kind später nur noch in Schwarz-Weiß-Kategorien denkt. Die Welt also strikt einteilt in “Gut und Böse“, in “Schön und Hässlich“, in “Arm und Reich“, in “Mutig oder Feige“. Aber diese vergessen, dass auch das kindliche Denken sich erst entwickeln und unterschiedliche Farben und Facetten erkennen lernen muss. Ja, Märchen sind Schwarz-Weiß. Dem kann niemand widersprechen. Aber das kindliche Denken ist nicht anders – vor allem nicht im Alter von Kindergarten- und Vorschulkindern. Gerade in diesem Alter brauchen Kinder das Schwarz-Weiße, um sich orientieren zu können. Alle anderen Farben des sozialen Gefüges bilden sich erst sehr viel später aus. Ganz gleich, ob mit oder ohne Märchen. Was aber Märchen für dieses Alter so wichtig macht, ist, dass sich Kinder genau auf Grund des Schwarz-Weiß-Denkens mit den Märchenfiguren, ihren Erlebnissen und der Welt, in der sich die Figuren zurechtfinden müssen, so gut identifizieren können. Auch wenn es sich dabei um eine Welt oder eine Gesellschaft handelt, die in dieser Form heute gar nicht mehr existiert.

Märchenhafter Freiraum für die eigene Fantasie
Bekommen Kinder ein Märchen vorgelesen oder erzählt, hören sie es nicht nur, sie sehen, spüren und erleben, was passiert. Denn die von vielen Erwachsenen verachtete und oftmals als veraltet oder antiquiert bezeichnete Märchensprache löst genau das aus, was Kinder in diesem Alter brauchen: Märchenhaften Freiraum für die eigene Fantasie. Die veraltete oder antiquierte Sprache schadet ihnen dabei ganz bestimmt nicht, im Gegenteil: Sie fördert gleichermaßen das kindliche Sprachvermögen, seinen Wissensdurst und seinen Entdeckerdrang. Und: Sie gibt dem Kind Sicherheit. Denn mit der märchenhaften Formulierung “Es war einmal“ können sie sich entspannt auf eine blühende Reise ihrer Fantasie begeben. “Es war einmal“, die veralteten Sprachwendungen und eine Gesellschaft, die es heute nicht mehr gibt, nehmen das Kind zwar mit auf eine Reise, die ihm helfen, sich in der Welt zurechtzufinden, ohne es dabei in Angst und Schrecken zu versetzen, dass die Märchenwelt mit der realen Welt identisch ist. Denn die Märchensprache ist wie der eingangs erwähnte Pappkarton: Einfach, aber bildhaft und symbolisch. Für Mama oder Papa nur ein Pappkarton, für das Kind selbst all das, was es möchte, dass der Pappkarton ist. Die Märchensprache gibt dem Kind also nur das absolut Notwendigste mit, damit es seine Fantasie frei entfalten kann und überfrachtet es nicht mit vorgefertigten Bildern, die keinerlei Fantasie oder Vorstellungsvermögen mehr erforderlich machen oder zulassen. Und genau das schafft leider kein anderes Kinderbuch, kein Comic, keine Zeichentrickserie – und auch keine Märchenverfilmung.

Magische Handlungsanleitungen für das reale Leben
Jedes der klassischen Märchen beruht auf einer Überlieferung, die seit Jahrhunderten von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Aus diesem Grund kann man Märchen auch als in Bilder übersetzte Lebenserfahrungen bezeichnen. Und auch, wenn wir uns mittlerweile im 21. Jahrhundert befinden, die Fragen, die sich unsere Kinder stellen, haben sich nicht geändert. Und damit auch nicht die Antworten. Was in vergangenen Jahrhunderten vielleicht die Angst vor langen Schatten im Wald war, ist heute vielleicht die Nacht erhellende Leuchtreklame, die Schatten ins Kinderzimmer wirft. Auch Kinder kennen Ängste, die uns noch nicht einmal bewusst sind. Und sie sind uns oftmals deshalb nicht bewusst, weil Kindern für das, was sie fühlen und erleben oftmals die Sprache oder eben das passende Bild fehlt, mit dem sie es vergleichen können. Und auch hier helfen Märchen. Denn jedes einzelne von ihnen schildert eine bestimmte Situation, in der sich der spätere Held des Märchens zu Anfang der Geschichte befindet. Eine Situation, die es zu meistern gilt. Und vor allem eine, die der kleine Held am Ende des Märchens auch gemeistert haben wird. Denn in Märchen wird – und das ist ebenfalls ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Punkt für das kindliche Denken – am Ende immer alles gut. Aus diesem Grund identifizieren sich die kleinen Zuhörer auch meistens mit der Heldenfigur, die zu Beginn des Märchens allerdings noch weit davon entfernt ist, ein Held zu sein. Denn ganz gleich, was das Kind gerade in seinem Inneren beschäftigt, womit es sich auseinandersetzen muss: Die Beispiele in den Märchen zeigen ihm, dass sich immer eine Lösungsmöglichkeit findet, wenn man nur die Verantwortung dafür übernimmt und nach ihr sucht. Und genau das macht Kinder stark, selbstbewusst und gibt ihnen das Gefühl von Sicherheit und Ur-Vertrauen. Bruno Bettelheim geht deshalb davon aus, dass Märchen die Kinder genau dort abholen, wo sie sich gerade seelisch und emotional in ihrer Entwicklung befinden. Wesentlich intensiver, handlungsorientierter und wirkungsvoller als jedes andere Kinderbuch das könnte. Oder wie schon Friedrich Schiller gesagt hat: „Tiefere Bedeutung liegt in den Märchen meiner Kinderjahre als in der Wahrheit, die das Leben lehrt."